Neulich fand ein Zwischenreview in einem Coachingprozess statt. Wir haben die bisherige Zielerreichung reflektiert und haben uns über unsere Zusammenarbeit ausgetauscht. Das war hilfreich, um den Methodeneinsatz zu bewerten und die weitere Vorgehensweise zu planen.
Die Coachee meinte, von der strukturierten Auseinandersetzung mit der Führungsrolle profitiert zu haben, hielt dann inne und sagte: “Es ist mir noch nicht wie Schuppen von den Augen gefallen”. Nach einer kurzen Pause bat ich die Coachee die Schuppen an den Augen zu beschreiben, und wie es denn wäre, wenn es ihr tatsächlich wie Schuppen von den Augen fallen würde. Es folgte eine fruchtbare Diskussion über Erwartungen im Coaching und die Coachee stellte fest, sie hätte eigentlich nicht so viele Schuppen.
Die Redewendung “wie Schuppen von den Augen” komm aus der Bibel und beschreibt die Bekehrung des Saulus zum Paulus auf der Straße nach Damaskus. Coaching ist zwar ein Prozess, eine Reise. Aber muss es auch ein Damaskuserlebnis umfassen? Ich glaube nicht.
Ziele und Bedürfnisse sind unterschiedlich, Themen ebenfalls. Einige Coachees sind sehr reflektiert, andere weniger. Einige Klienten wollen eine langsame Veränderung, andere wiederum wollen und brauchen sofortige, tiefgreifende Veränderungen. Manchmal ergibt sich das Bedürfnis nach großen Veränderungen während des Prozesses, wenn das Problem hinter dem Problem erkannt wird. Gelegentlich stellt sich hinterher heraus, dass eine scheinbar kleine Veränderung riesige Auswirkungen hatte. Es ist nicht die Aufgabe des Coachs, die Schuppen von Augen unserer Klienten zum Fallen zu bringen, sondern als Profis zuzuhören, Fragen zu stellen und ggf. Expertenrat zu geben. Es geht darum, sie zu einem Perspektivwechsel zu bewegen und Lösungen zu berufsbezogenen Problemen zu finden. Wenn ihnen dabei wie Schuppen von den Augen fallen, ist das in Ordnung. Es sollte aber von keiner Seite zwingend erwartet werden.