Culture Mapping in einem internationalen Team

Die Filiale eines international agierenden Unternehmens mit Teammitgliedern aus unterschiedlichen Ländern hatte neulich einen neuen Status erhalten. Dieser neue Status veränderte das Gleichgewicht zwischen den Abteilungen in der Filiale. Eine Abteilung war durch die Neuausrichtung gewachsen, während zwei kleiner und eine gleich geblieben war. Gleichzeitig zur Statusänderung war die Filiale zum ersten Mal in ein Großraumbüro gezogen und teilte die Fläche mit einem Kooperationspartner.  Es hatte daher Veränderungen auf unterschiedlichen Ebenen gegeben. Der Filialleiter ist für Beratung auf uns zugekommen: er wollte vermeiden, dass in der neuen Situation hinderliche Legenden und Silos entstehen. Es  sollten Synergien im Großraumbüro gehoben werden. Als eine Maßnahme sollte ein Teamworkshop stattfinden.

Beim Workshop-Design haben wir auf einige Ansätze zurückgegriffen. Zum einen konnten wir mit Tuckmans Teamentwicklungsphasen die Filiale in einer „Storming“-Phase und die Bürogemeinschaft in einer „Forming“-Phase einordnen. Somit wollten wir einen reflektiven Diskurs darüber anstoßen, wie das Team sein wollte und wie ein Großraumbüro in den Phasen „Norming“ und „Performing“ ist. Zum anderen haben wir auf psychodynamische Ansätze zurückgegriffen, um mit dem Leiter über unbewusste Prozesse von Statusverlust, Neid und Wettbewerb zwischen Abteilungen (und Unternehmen und Nationalitäten) zu sprechen: inwiefern haben diese Prozesse die Fähigkeiten der Mitarbeiter beeinflusst, in der neuen Umgebung produktiv zu arbeiten?

Aufgrund dieser Reflexion sollte der Workshop von handfesten Verhaltensweisen ausgehen und deren Treiber und Auswirkungen erkunden. Im Workshop wurde nach einer Visualisierung der Ausgangslage, um erste relevante Faktoren zu identifizieren, Appreciative-Inquiry-Interviews geführt, um gegenwärtige Stärken und Ressourcen der Organisation in Erinnerung zu rufen. Anschließend wurden Bilder und Analogien für die gewünschte Kultur kreiert. Mit diesen Grundlagen konnte die aktuelle Kultur visualisiert werden. Dafür haben wir das Culture Mapping von Dave Gray and Alex Osterwalder von Strategyzer angewendet. Zu zweit haben Teammitglieder zu ihren Beobachtungen sich ausgetauscht: Was passiert an guten Tagen? Was passiert an schlechten Tagen? Was passiert an normalen, unscheinbaren Tagen? Danach ging es um die Treiber dieser Verhaltensweisen und auch um die Auswirkungen. Die Ergebnisse wurden auf Klebezettel notiert und bildeten ein meterlanges Tableau. In einer selbstorganisierten Diskussion unter den Teilnehmern wurden die Zettel bewegt und wieder bewegt, geclustert und neu geclustert, bis Muster erkennbar waren. Unser Job dabei war es sicherzustellen, dass der Prozess reibungslos verlief. Somit konnte darüber gesprochen werden, was Eckard König und Gerda Volmer die Elemente eines sozialen Systems nennen: über subjektive Deutungen, Regel, Regelkreise (Kommunikationsmuster), bisherige Entwicklungen und das Umfeld. Bei der Einführung des Modells ist es hilfreich Kultur als Kreislauf darzustellen: Verhalten kommt aus dem System heraus, Auswirkungen können selber zu Treibern einer Verhaltensweise werden und Teufels- oder Engelskreise hevorrufen.

Nach Vervollständigung des Tableaus stellten sich die für das Team und die Bürogemeinschaft wichtigsten Verhaltensweisen heraus. Diese wurden in einem World-Café weiter vertieft. Dabei haben wir angeregt, die zu Beginn besprochenen Stärken und Bilder vor Augen zu haben. Fragen für das World-Café waren: A) was brauchen wir nicht mehr? B) Was brauchen wir, was wir derzeit überhaupt nicht haben? C) Was müssen wir mehr machen? D) Was brauchen wir nur leicht anzupassen? Eine fünfte freiwillige Gruppe wurde nicht in Anspruch genommen: E) Was ist noch relevant? In einem Marktplatz der Ideen wurde eine Handvoll Ideen gefunden, die das Team in den nächsten Wochen in den Fokus stellen wollte.

Dieser Methodenmix war auf mehreren Ebenen hilfreich. Die Interviews und Analogien schafften eine Atmosphäre, in der offene, reflexive Gespräche stattfinden konnten. Im Ergebnis konnten einige Fragestellungen konstruktiv diskutiert werden, bspw. ungeschriebene Regel oder Kommunikationsmuster, die entstanden waren und bislang nicht infrage gestellt wurden, zum Teil infolge von Scham, Neid oder Wettbewerb. Der Fokus auf die nächsten Wochen führte zu handfesten Ergebnissen, ohne dabei andere Faktoren außer Acht zu lassen, die das Team in Zukunft angehen kann. Ein Dialog wurde begonnen.